Currently
*35
/ 24.Juni 2025

Drei Fragen an das Office for Joint Administrative Intelligence (O.J.A.I.)

Zwei Personen durchqueren einen schmalen, geriffelten Fußgängertunnel – ein alltäglicher Raum, der durch O.J.A.I.s Intervention zum Ort spekulativer Infrastrukturpoesie wird.

In Tunnel Assembly erkundet das Office for Joint Administrative Intelligence (O.J.A.I.) eine Fußgängerunterführung unter der Hauptstätter Straße in Stuttgart – mittels Klang, Ritual und spekulativer Infrastrukturforschung. Die Performance setzt ihre laufende Auseinandersetzung mit Autobahnarchitekturen und den übersehenen Räumen fort, die solche Infrastrukturen erzeugen. CURRENT stellte dem Künstlerduo – Chris Dreier und Gary Farrelly – drei Fragen zu Tunneln, Gehen und der Kunst bürokratischer Vorstellungskraft.

CURRENT: Das Office for Joint Administrative Intelligence (O.J.A.I.) agiert als eine bürokratische Para-Geheimdienststelle. Wie beeinflusst die Annahme dieser institutionellen Persona euren künstlerischen Ansatz? Und welche Rolle spielen Verwaltungssprache und -struktur in eurer kritischen Auseinandersetzung mit Machtstrukturen?

O.J.A.I.: Für uns ist die Institution kein festes Gebäude oder bürokratischer Apparat, sondern ein konstruiertes Gebilde – zusammengesetzt aus improvisierten Werkzeugen, Verfahren und Ritualen der Amtsausübung. Wir inszenieren unsere eigene Form von Autorität, erzeugen durch Benennung, Protokoll und performative Konformität eine Illusion von Kontinuität und Kontrolle. Institutionalisierung ist für uns eine Möglichkeit, Dinge sichtbar zu machen. Sie erlaubt es uns, die Legitimität unserer Forschungsgegenstände – Tunnel, Peripherien, verrufene Bauten, infrastrukturelles Gedächtnis und klangarchäologische Fragmente – zu behaupten. Diese Obsessionen werden durch eine künstlerische Logik aktiviert und operationalisiert. Man könnte das als kritisches Manöver bezeichnen: eine Aneignung von Macht zur Durchsetzung gemeinsamer Obsessionen und spekulativer Legitimität.

CURRENT: Tunnel, Unterführungen und übersehene Infrastrukturen tauchen häufig in eurer Arbeit auf – zuletzt etwa die Unterführung unter der Stuttgarter Hauptstätter Straße in eurer Performance Tunnel Assembly. Was zieht euch an diesen Räumen an? Und welche Rolle spielen sie in eurer weitergehenden Auseinandersetzung mit infrastrukturellem Gedächtnis und überflüssiger Architektur?

O.J.A.I.: Uns ziehen übersehene Infrastrukturen an – Tunnel, Treppenhäuser, Lobbys, Verwaltungsgebäude, versiegte Brunnen – weil sie als Spuren gescheiterter oder aufgegebener urbaner Steuerung lesbar sind. Es ist eine Art Archäologie, die uns viel über die jüngere Vergangenheit erzählt. Besonders Fußgängertunnel – heute völlig aus der Mode – sind oft vernachlässigt und unbeachtet, verlangen aber nach menschlicher Aufmerksamkeit und Ritual. Wir lesen sie als Szenografien: latente Gestaltungsvorschläge, die durch unsere Arbeit reaktiviert werden können.

CURRENT: Ein Großteil eurer Praxis findet zu Fuß statt – durch geführte Spaziergänge, Ortsbegehungen und ritualisierte Bewegungen. Welche Rolle spielt das Gehen als Forschungsmethode, insbesondere in städtischen Räumen, die eher für Autos als für Fußgänger gemacht sind?

O.J.A.I.: Wir gingen schon gemeinsam spazieren, bevor wir es Methode nannten – besuchten Bürogebäude, Brunnen, Tunnel, Flughafenterminals und öffentliche Plätze, um uns auf die gebaute Welt einzustimmen. Das Gehen wurde unerlässlich, weil wir erkannten: Die versteinerten Schichten aus Gestaltung, Politik und Spekulation im urbanen Raum übersteigen alles, was wir im Studio erfinden könnten. Es ist ein Erkundungswerkzeug, ein Forschungsprotokoll, ein Ritual. Wir gehen zusammen – und wir kuratieren Spaziergänge als Einladung in unsere spekulative Lesart der gebauten Umwelt. Selbst unter den streng reglementierten O.J.A.I.-Spaziergangsbedingungen bringen Teilnehmer*innen ihre eigenen Dringlichkeiten, Assoziationen und Subjektivitäten ein – und entdecken, was wir selbst nie gesucht hätten. Und was Straßen betrifft: Wir gehen sie, weil sie uns Widerstand leisten. Dieser Widerstand passt zu uns. Wir sind keine genügsamen Menschen.

Foto-Credits
1. Fotografie von Chris Dreier und Gary Farrelly beim Durchqueren eines Abschnitts eines Fußgängertunnels am Stadtrand von Charleroi, Belgien.
2. Beschriftetes Diagramm des Performance-Setups mit Spielzeugfahrzeuggeräuschen, modularen Instrumenten, Ausgabegeräten und maschinell getippten Anweisungen. 3. Standard-Tunnelakte von O.J.A.I. mit offiziellem Briefkopf, maschinenschriftlichen Anmerkungen, Validierungsstempeln und Unterschriften.