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/ 22.Mai 2025

Drei Fragen an Mila Panić

Das Bild zeigt eine minimalistische Kunstausstellung mit zwei stehenden Autoreifen, aus denen Erde und Lebensmittel herausquellen, vor einer weißen Wand mit der leuchtenden Schrift „Make it in Germany“.

(Original-Interview in Englisch) 

Mila Panić, in Bosnien geboren, lebt in Berlin und ist Künstlerin und Stand-up-Comedian. Ihre künstlerische Praxis reicht von persönlicher Dokumentation bis hin zu poetischen visuellen und diskursiven Elementen, durch die sie einen Zyklus schafft, der die verschiedenen Vermächtnisse der Migration interpretiert. Im Rahmen von CURRENT zeigt Mila Panić ihre Arbeit „Südost Paket“ im Lapidarium und performt als Stand-Up Comedian. 

Deine Arbeit „Südost Paket“ verbindet persönliche und kollektive Erinnerung an Migration durch das wiederkehrende Symbol des Autoreifens. Wie entscheidest du, welche Gegenstände du einbeziehst? 

Ich wähle die Objekte nach Gefühl aus. Dinge, die mich an Zuhause erinnern oder an lustige Geschichten und Erlebnisse, die ich gesehen oder gehört habe, an Reisen und Schmuggel mit Bussen aus Bosnien. Diese Objekte sind für mich zu einer Personifikation unserer Identität und Folklore geworden, und gemeinsam mit dem Busreifen sind sie wie ein Denkmal. Ein Denkmal für den Mikrokosmos, der im Bus während der 20 bis 24 Stunden entsteht, in denen man beim Reisen zwischen Bosnien und Deutschland (körperlich und moralisch) die Grenze überquert. In diesem Bus passiert viel. Viel Angst, Anspannung, Traurigkeit, der Schmuggel von einfachen Waren und in gewisser Weise auch von Wissen – aber auch Lachen, Aufregung und Solidarität – je nachdem, in welche Richtung der Bus fährt. 

Für „Südost Paket“ füllst du Reifen mit symbolischen Waren wie Zigaretten und Süßigkeiten. Was sagen diese spezifischen Gegenstände über Erinnerung, Wert und vorgestellten Status in der Migrationserfahrung aus? 

Wenn Menschen migrieren, fühlt es sich oft so an, als würden sie ihre Zukunft aus einem Ort herausschmuggeln und in einen anderen hineinschmuggeln. Das vage Versprechen eines möglichen Schicksals, gepaart mit dem Gewicht hoher Erwartungen, ist ein starker Beweggrund, um aufzubrechen. Diese vorgestellte, „geschmuggelte“ Zukunft trägt die Hoffnung in sich, dass sie sich irgendwann irgendwo erfüllen wird – an einem neuen, noch undefinierten Ort. Dieser Ort – ob Stadt, Region oder Land – lässt sich natürlich durch harte Daten beschreiben: Geografie, Statistiken, BIP-Rankings, Lebensqualität, Karrieremöglichkeiten, Durchschnittseinkommen usw. Solche Kennzahlen definieren, ob ein Ort als begehrenswert gilt – und je höher die Werte, desto anziehender wirkt er auf Migrant*innen. Orte mit niedrigeren Werten gelten dagegen als unattraktiv. 

Südost Paket hinterfragt dieses binäre Denken, indem es den Fluss des Wertes umkehrt. Durch den Akt des „Schmuggelns“ stellt es die angenommene Richtung der Sehnsucht infrage. Die Gegenstände, die wir verwenden – Zigaretten, Süßigkeiten, Alltagsdinge aus Bosnien und Herzegowina – sind im traditionellen Sinne weder selten noch luxuriös. Aber sie tragen emotionale und symbolische Bedeutung. Sie werden zu Artefakten dieses vorgestellten „besseren“ Ortes. Nur dass hier die Richtung umgekehrt ist – wir schmuggeln von BiH nach Deutschland, nicht umgekehrt (wie in der Regel angenommen). Diese Umkehrung durchbricht das übliche Narrativ von Migration als Aufstieg und stellt infrage, wie wir Räumen Wert zuschreiben. 

Die Arbeit weist auf ein anderes Verständnis von Geografie hin – nicht als festes, abgegrenztes Land, sondern als imaginierter, zutiefst persönlicher, instabiler Raum, geformt durch Erfahrung. 

Indem du Humor, Mobilität und Widerstand in deine Arbeit einwebst, destabilisiert du auch festgefügte Narrative von Ort und Zugehörigkeit. Neben Objekten und Skulpturen bringst du auch Stand-up-Comedy in Kunsträume. Welche Rolle spielt das Lachen in deiner Praxis? 

Für mich ist Stand-up-Comedy einfach ein weiteres Medium der zeitgenössischen Kunst. Ob ich einen Witz oder eine Installation verwende – das Ziel ist dasselbe: Das Publikum soll gesellschaftliche Normen überdenken und Machtstrukturen infrage stellen. In meinem Fall scheinen Witze meine bevorzugte Sprache zu sein. Witze haben sich einfach in mein ganzes Leben „eingeschlichen“. Es gibt keinen Moment, in dem ich nicht arbeite oder Material sammle. Mit der Zeit haben sie ihren Weg in meine Zeichnungen und Ausstellungen gefunden – Räume, in denen aktives Lachen sonst selten ist. 

Ich mag die Vorstellung, in diesen stillen Räumen laut zu sein, Menschen zum Lachen zu bringen, wo sie es am wenigsten erwarten. Lachen ist zutiefst sozial, kann aber auch beschämend sein. Wenn wir gemeinsam lachen, betreten wir eine Art kollektives Einverständnis – eines, das unsere Ängste, Hoffnungen, Frustrationen anerkennt und vielleicht am wichtigsten: unsere Fähigkeit zur Heilung und Veränderung. Natürlich ist das Publikum in Galerien oder Institutionen herausfordernder – und definitiv eingeschränkter – als in einem Comedy-Club. Aber genau in dieser Spannung entstehen oft die interessantesten Momente.